Medizin Allgemein

Steigender Bedarf an vertragsärztlichen Leistungen bis 2030

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Bis 2030 werden Patienten vor allem im städtischen Raum zunehmend ärztliche Leistungen beanspruchen, insbesondere in der Inneren Medizin, Urologie und Augenheilkunde. Auch Psychotherapie wird stark nachgefragt sein. Das ergibt eine Projektion des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi).

Da Zi hat die ersten Zwischenergebnisse seiner aktuellen Bedarfsprojektion zur zukünftigen Beanspruchung von Vertragsärzten und Psychotherapeuten bis 2030 am 08.02.2023 im Rahmen seines Livestreaming-Formats „Zi insights“ vorgestellt. In Kürze sollen die vollständigen Daten veröffentlicht werden.

Da die Bevölkerungszahl in aktuellen Prognosen insgesamt nicht mehr abnehme, stehe einem Bevölkerungsrückgang in ländlichen Regionen eine zunehmende Verdichtung urbaner Räume gegenüber, so das Zi in einer aktuellen Mitteilung. Somit werde die ärztliche Versorgung in den Städten noch stärker beansprucht werden als in dünner besiedelten Räumen. Die insgesamt zunehmende Alterung der Bevölkerung in Deutschland trage dazu bei, dass spezifische Fachgruppen wie Innere Medizin, Urologie und Augenheilkunde in den kommenden Jahren immer stärker nachgefragt würden, heißt es weiter. Das Zi hat errechnet, dass die Nachfrage bei Fachinternisten und Urologen bis 2030 bundesweit um bis zu acht Prozent ansteigen wird. In der Augenheilkunde und bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten könnte sich der sogenannte Beanspruchungsindex um bis zu fünf Prozent erhöhen. Noch deutlicher fällt die Projektion des Versorgungsbedarfs für den Bereich der Psychotherapie aus: Hier ergibt sich auf Basis der Bevölkerungsprognose und unter Berücksichtigung der Inanspruchnahmeentwicklung der letzten Jahre ein projizierter Nachfrageanstieg von 23 Prozent bis 2030.

Um den voraussichtlichen Bedarf zu errechnen, hat das Zi zunächst auf Basis von vertragsärztlichen Abrechnungsdaten des letzten präpandemischen Jahres 2019 und einer Bevölkerungsprognose die aktuelle Inanspruchnahme zum Jahr 2030 fortgeschrieben. Als neues Element ermittelte das Institut außerdem die Entwicklung der Inanspruchnahme der Jahre 2011 bis 2019. Das Ergebnis ist der relative Beanspruchungsindex (rBIX), der für unterschiedliche Fachgruppen und regional differenziert berechnet wird. Er gibt an, um wie viel Prozent die Beanspruchung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2030 voraussichtlich von der im Basisjahr 2019 abweicht. Um dieser zukünftigen Nachfrage auch eine Abschätzung des zukünftigen Angebots gegenüberzustellen, hat das Zi die jüngsten Nachbesetzungsquoten und die Altersstruktur der Vertragsärzte betrachtet.

Bedarfszuwachs bei Fachgruppen, die ältere Menschen behandeln

„Unsere Studie zeigt die Entwicklung der zu erwartenden Fallzahlen in der vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung aufgrund der Bevölkerungsprognose und der bisherigen Leistungsinanspruchnahme zwischen 2011 und 2019“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Insgesamt sei danach auch in den kommenden fünf bis zehn Jahren mit einer moderaten Zunahme der Fallzahlen in diesen Versorgungsbereichen zu rechnen. Konstant bis leicht ansteigend bleibe die Beanspruchung der hausärztlichen Versorgung. „Einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen erwarten wir bei bestimmten Facharztgruppen, die hauptsächlich an der Behandlung älterer Menschen beteiligt sind, allen voran bei den fachärztlichen Internistinnen und Internisten. Hier spiegeln sich Verlagerungen aus der stationären Krankenhausbehandlung, mehr Spezialisierung, aber auch mehr fachärztliche Mitbehandlung und fachübergreifende Kooperation wider, die zu steigenden Patienten- und Fallzahlen führen.” Zudem müsse man bedenken, dass der medizinische Fortschritt immer mehr ambulante Behandlungen möglich und immer weniger Krankenhausbehandlung notwendig mache, so von Stillfried. “Deshalb müssen wir umdenken. Bisher betrachten wir die Ballungsräume als ärztlich überversorgt. Tatsache ist, dass wir dort eine besondere Zunahme des Versorgungsbedarfs erwarten müssen.“

Fallzahl in der Psychotherapie massiv gestiegen

Eine Besonderheit sieht der Zi-Chef bei den ärztlichen und nichtärztlichen Psychotherapeuten. “Geht man rein nach der Bevölkerungsprognose, würden wir dort Fallzahlrückgänge erwarten, weil die Psychotherapie bisher vor allem von Personengruppen in Anspruch genommen wird, deren Anteil an der Bevölkerung künftig zurückgeht. Die Inanspruchnahme bei diesen Alterskohorten hat sich aber verändert.” Nach den Zi-Zahlen ist die Fallzahl massiv angestiegen, weil die Zahl der behandelten Patienten seit 2011 jedes Jahr deutlich zugenommen hat: Haben 2011 noch knapp 2,5 Prozent aller gesetzlich Versicherten eine psychotherapeutische Leistung in Anspruch genommen, waren es 2019 fast 3,5 Prozent und 2021 bereits über 3,7 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat die Zahl der GKV-Versicherten um 3,7 Millionen Menschen zugenommen. 2021 waren mehr als 2,7 Millionen Menschen in psychotherapeutischer Behandlung – “das entspricht der Einwohnerzahl von Hamburg und Frankfurt zusammengenommen“, machte der Zi-Vorstandsvorsitzende deutlich.

Multiprofessionelle Zusammenarbeit als Lösung?

Dr. Annette Rommel, 1. Vorsitzende der KV Thüringen und Fachärztin für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis im thüringischen Mechterstädt, machte bei der Vorstellung der Zi-Projektion deutlich, dass der substanzielle Mangel an geeigneten Fachkräften längst in der ambulanten medizinischen Versorgung angekommen sei. Es müsse vermieden werden, dass sich die Versorgungslücken weiter öffneten. „Um unsere Bedarfsplanung noch zielgenauer justieren zu können, müssen wir die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen in der Zukunft noch besser abschätzen können. Die heute vorgestellte Bedarfsprojektion zeigt uns deutlich, wohin die Reise geht: Mehr Versorgungsbedarf der älter werdenden Bevölkerung, weniger verfügbare Arztzeit. Wir müssen daher Schwierigkeiten der Nachbesetzung, insbesondere hausärztlicher Sitze im ländlichen Raum, mit neuen Strukturen lösen.” Rommel ist überzeugt, dass auch multiprofessionelle Teampraxen als Angebot für Vertragsärzte und andere Gesundheitsberufe einen wichtigen Beitrag leisten können, um eine qualitativ hochwertige Versorgung abzusichern. “Unverzichtbare Grundlage dafür sind gute infrastrukturelle Bedingungen, für die die Politik den Rahmen schaffen muss.“

Wie Rommel forderte auch Prof. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, erneut, die Studienplatzkapazitäten in der Humanmedizin aufzustocken. Dies bleibe notwendig, werde aber zu spät wirken, schränkte er ein. Er sprach sich dafür aus, die Weiterbildung zu verkürzen. Sie könne weitgehend in der ambulanten Versorgung absolviert werden, ist er überzeugt. Die Inhalte könnten vereinfacht und spezielle Kompetenzen in der späteren Berufstätigkeit erworben werden.Für mindestens ebenso notwendig hält Herrmann ein klares Konzept für eine multiprofessionelle Versorgung der Patienten. Medizinische Fachkräfte, die mit kürzeren Ausbildungszeiten zur Verfügung stünden, könnten hier wichtige Aufgaben übernehmen. Das Personal sei am effizientesten, wenn die Fachkräfte innerhalb der Versorgungseinrichtungen zusammenarbeiten. Dies hält Herrmann für sinnvoller, als neue Schnittstellen zwischen Zuständigkeiten zu schaffen. Delegation müsse seiner Ansicht nach auch im Rahmen telemedizinischer Zusammenarbeit möglich sein. „Die zunehmende Einbindung von qualifizierten Gesundheitsfachberufen, die ja in der medizinischen Versorgung bereits in vollem Gange ist, ist ein wichtiger Baustein hin zu mehr Versorgungsqualität. Wir brauchen mehr von dieser horizontalen, multiprofessionellen Vernetzung. Klar muss jedoch stets sein, dass die Letztverantwortung für die Patientinnen und Patienten immer in ärztlicher Hand bleibt”, betonte Herrmann. “Was wir hingegen nicht brauchen, sind weitere vertikale Versorgungsformate, wie den Gesundheitskiosk. Hier drohen vielmehr Synergieverluste und Schnittstellendefizite.“ Um zu vermeiden, dass die Politik auf immer neue Insellösungen fokussiert, sollte aus den Reihen der Ärzteschaft ein schlüssiges Konzept zum Umgang mit den Herausforderungen vorgelegt werden, empfahl Herrmann abschließend.

(Zi/ms)

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