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Gefäße vor Lärm schützen: Molekularer Mechanismus in experimenteller Studie identifiziert

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Umweltstressoren wie Verkehrslärm stellen weltweit eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar. Eine neue im „European Journal of Preventive Cardiology“ veröffentlichte Studie an Mäusen zeigt, dass Lärm innerhalb kurzer Zeit negative Auswirkungen auf Gefäße und Gehirn hat – aber auch mit welchen Interventionen sich diese möglicherweise vermeiden lassen.

Lärm nervt nicht nur, er schadet auch der Gesundheit: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen durch verkehrsbedingten Lärm im Westen Europas jährlich 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre verloren. Die Europäische Umweltagentur (EEA) berichtet, dass jährlich 113 Millionen Menschen krank machendem Straßenlärm von mindestens 55 Dezibel ausgesetzt sind. Weitere 22 Millionen müssen zu hohe Lärmwerte durch Schienenlärm und vier Millionen durch Fluglärm ertragen, 6,5 Millionen leiden an schweren Schlafstörungen. Lärmbelastung ist damit nach der Feinstaubbelastung zur zweithäufigsten Todesursache unter den Umweltbelastungen aufgestiegen.

Die aktuelle Studie unter der Leitung von Prof. Thomas Münzel, Direktor des Zentrums für Kardiologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Forscher am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V., zeigt nun auf, über welchen molekularen Mechanismus pharmakologische und nichtpharmakologische Maßnahmen zu einem Schutz vor den gefährlichen Auswirkungen von Lärm beitragen. Zuvor war nicht bekannt, welche Maßnahmen wirksam sind, um die gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Lärm zu reduzieren. Münzel und sein Team untersuchten erstmals verschiedene Interventionen, mit denen Lärmschäden möglicherweise beeinflusst werden können. Die wirksamste Gegenmaßnahme wäre, den Lärm zu reduzieren. Neuere Berechnungen der EEA zeigen jedoch, dass der Verkehrslärm in den nächsten Jahren eher noch zunehmen wird.

Lärm wirkt sich schon nach wenigen Tagen negativ auf die Gesundheit aus

Um die Auswirkungen von Fluglärm auf das Gefäßsystem zu untersuchen, setzte die Forschungsgruppe um Münzel Mäuse vier Tage lang durchgängig Fluglärm mit einer durchschnittlichen Lautstärke von 72 Dezibel aus. Der Lärm führte zu einem Anstieg des Stresshormonspiegels und des Blutdrucks. Es kam zu einer ausgeprägten endothelialen Dysfunktion mit Entzündungsreaktionen in den Gefäßen, was vor allem durch das Einwandern von radikalbildenden Makrophagen bedingt war. Diese Veränderungen waren nicht auf das Gefäßsystem beschränkt, sondern konnten auch im Gehirn nachgewiesen werden.

„Für mich war es überraschend, wie schnell sich Lärm bereits nach wenigen Tagen negativ auf die Gesundheit auswirkt“, sagt Münzel. Der Nachweis einer Gefäßschädigung bei Mäusen innerhalb von 24 Stunden passt auch zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppe, die bei jungen Medizinstudenten bereits nach einer Nacht Flug- oder Bahnlärm eine endotheliale Dysfunktion nachweisen konnte.

In einem weiteren Schritt untersuchte das Team die Rolle der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK). Dieses Enzym wird aktiviert, wenn die Zelle hungert und baut neue Energiereserven auf. Es wirkt auch stark entzündungshemmend und vermindert oxidativen Stress, so dass es theoretisch die Auswirkungen von Lärm mildern könnte. Es ist auch bekannt, dass AMPK durch Sport, Fasten und Medikamente stimuliert werden kann.

Bewegung, Fasten und Medikamente helfen gegen negative Lärmwirkungen

Um die AMPK bei den untersuchten Mäusen zu aktivieren, wurde ihnen ein siebenwöchiges „Sportprogramm“ verordnet, sie liefen freiwillig in einem Laufrad. Außerdem testeten die Forschenden die Wirkung eines achtwöchigen Fastens mit schrittweiser Nahrungsreduktion sowie einer dreitägigen Medikamentengabe (AICAR, 5-Aminoimidazole-4-Carboxamide Ribonucleotide; AMP-Analogon; entspricht in der Wirkungsweise dem Antidiabetikum Metformin). Alle drei Maßnahmen wurden präventiv vorgenommen – also bevor die Mäuse über vier Tage dem Lärm ausgesetzt wurden. Jede der Interventionen hob die negativen Auswirkungen des Lärms auf: Blutdruck und Radikalbildung normalisierten sich, Gefäßfunktionsstörungen gingen zurück und die Entzündungsreaktion wurde reduziert.

Die endotheliale AMPK konnte in früheren Untersuchungen als wichtiger Mediator für antientzündliche und antioxidative Stresseffekte identifiziert werden. Dies nutzte das Team in einem weiteren Schritt, um die Bedeutung des Enzyms auch in diesem Zusammenhang nachzuweisen: Die positiven Effekte von Bewegung, Fasten und pharmakologischer Aktivierung gingen bei Mäusen durch einen Knockout der endothelialen AMPK verloren.

„Die Arbeit ist ein wichtiger experimenteller Hinweis und ein wunderbarer Ansatz für weiterführende klinische Studien“, sagt Münzel. Eine gute Nachricht habe die Studie für sportlich aktive Menschen: „Wer sich regelmäßig bewegt, macht seine Gefäße widerstandsfähiger gegen Lärmstress.“ Möglicherweise können auch Medikamente gegen Lärm helfen. Das Wichtigste ist nach wie vor, den Lärm auf die von der WHO empfohlenen Grenzwerte für Straßen-, Schienen- und Fluglärm zu reduzieren. Die aktuell vorgestellten experimentellen Ergebnisse zur AMPK und Lärmschäden geben aber erste Hinweise darauf, wie möglicherweise Lärm-induzierte Herz-Kreislauf-Schäden verhindert oder gemildert werden können.

Weitere Forschung zu Umweltfaktoren

Zwei kürzlich unter Münzels Mitwirkung veröffentlichte Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift „Hypertension“ belegen, dass Feinstaub und Lärm global eine ernsthafte Bedrohung für die Herz-Kreislauf-Gesundheit sind und Umweltfaktoren als Gesundheitsrisiko in Forschung, Politik und Gesellschaft immer noch stark unterschätzt werden. Insbesondere die Luftverschmutzung (Particulate Matter 2,5µm) führt demnach zu einer zusätzlichen Sterblichkeit von 8,8 Millionen Todesfällen pro Jahr, vor allem aufgrund der daraus resultierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie ischämische Herzkrankheit, Schlaganfall, Diabetes und arterielle Hypertonie. In den beiden Artikeln von Erstautor Omar Hahad werden aktuelle Epidemiologie, mögliche Ursachen und Interventionen sowie aktuelle Forschungslücken und zukünftige Herausforderungen diskutiert.

(ah)

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), 26.04.2023

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