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Das Immunsystem des Kindes zwischen Verteidigung und Toleranz

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Von Infektionen, Allergien und Autoimmunerkrankungen: Auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2023, der vom 21.-23. September in Hamburg stattfindet ist das Schwerpunktthema „Immunreaktionen“.

Wenn die Abwehr gegen Infektionserreger nicht funktioniert oder wenn das Immunsystem den eigenen Körper oder harmlose Allergene attackiert: Auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2023 stellt das Immunsystem und seine Rolle bei der Infektionsabwehr, bei Allergien und Autoimmunerkrankungen einen wichtigen Schwerpunkt dar und es wird Neuestes aus der Forschung zu diesem wichtigen Thema präsentiert.

Infektionen: Neue Erkenntnisse, neue Impfstoffe

Die vergangenen Jahre haben eindrucksvoll vor Augen geführt, wie groß die Macht von Infektionserregern ist und welch zentrale Rolle unser Immunsystem bei ihrer Abwehr für unser Überleben spielt. SARS-CoV-2 hielt die Welt in Atem oder – besser gesagt – nahm ihr den Atem und hat unser Leben über Jahre massiv beeinflusst. Gerade bei Kindern hat das Immunsystem eine exzellente Verteidigungsstrategie entwickelt, so dass sie während der SARS-CoV-2 Pandemie im Vergleich zu Erwachsenen sehr viel weniger von schweren Infektionen betroffen waren. Aber oft betreffen Infektwellen Säuglinge und Kleinkinder besonders schwer: Ein Beispiel hierfür sind die RS-Viren (Respiratory Syncytial Virus), die Kinderkliniken und Praxen im letzten Winter über ihre Kapazitätsgrenzen gebracht und die weiterhin aktuelle intensive Diskussion über eine bessere Versorgung in der Pädiatrie angefacht haben.

„Die Bekämpfung von Infektionen war und ist eines der größten Ziele der Medizin“, sagt Prof. Gesine Hansen aus Hannover, die das wissenschaftliche Programm des größten Kongresses für Kinder- und Jugendmedizin im deutschsprachigen Raum zusammengestellt hat, der am 21. September in Hamburg eröffnet wird.

Die Kongresspräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) erläutert: „Gerade im Kindesalter spielen Infektionen eine sehr große Rolle und die Prävention von schweren Infektionen durch konsequente Impfstrategien, die das Immunsystem auf den Angriff von Infektionserregern vorbereiten, ist eine zentrale Aufgabe der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte. Die intensive Forschung zu SARS-CoV-2 hat dazu beigetragen, die Entwicklung neuer Impfstoffe zu beschleunigen und neue Erkenntnisse zur Behandlung von viralen Infektionen zu gewinnen, gegen die es bislang kaum therapeutische Möglichkeiten gibt.“

Allergien: „epidemisches Ausmaß“

Während die Infektionen über die letzten Jahrzehnte durch Fortschritte wie Impfungen und Antibiotika deutlich besser in den Griff bekommen wurden, hat die Zahl der Autoimmunerkrankungen und Allergien massiv zugenommen. Auch diese fehlgeleiteten Immunreaktionen stehen auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in Hamburg im Fokus.

Inzwischen leidet ungefähr jedes 4. Kind an einer allergischen Erkrankung wie allergischem Asthma, Heuschnupfen, Neurodermitis oder Nahrungsmittelallergien. Hierbei richtet sich das Immunsystem gegen an sich völlig harmlose Antigene wie die Allergene wie Birkenpollen, Hausstaubmilben oder Erdnüsse, was zu quälenden Symptomen und einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität der Kinder führt. „Allergien haben inzwischen ein epidemisches Ausmaß angenommen und führen häufig zu einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität von betroffenen Kindern und ihren Familien“, beobachtet Prof. Hansen. Neue Medikamente helfen dabei, besonders schwer erkrankte Kinder und Jugendlichen mit Asthma und Neurodermitis von ihren schweren Symptomen zu befreien.

Darüber hinaus forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon seit vielen Jahren an neuen Strategien zur Prävention dieser extrem häufigen Erkrankungen und versuchen, die Erkenntnisse aus der sog. „Hygiene-Hypothese“ für die Prävention praktisch zu nutzen. Dabei konnte gezeigt werden, dass die frühe Auseinandersetzung mit Mikroben z.B. auf dem Bauernhof oder der frühe Kontakt zu vielen anderen Kindern mit vielen harmlosen Infektionen vor der Entstehung von Allergien schützt. Nun wird versucht, diese Erkenntnisse in einer Art „Allergiepräventions-Cocktail“ zu nutzen. Für die immunologische Prägung rund um die Geburt werden in Hamburg innovative Ansätze aus der Mikrobiom-Forschung und aus der Untersuchung epigenetischer Veränderungen vorgestellt, die geeignet sein könnten, die Entwicklung des Immunsystems bei Kindern zu verbessern. Impfstoffe und passive Immunisierung in der perinatalen Phase bieten Möglichkeiten, den Schutz und die Immunität von Neugeborenen zu stärken.

„In der frühen Kindheit werden wichtige Weichen für die ganze Zukunft gestellt. Dies gilt auch für die körperliche Gesundheit. Die Fortschritte der immunologischen Forschung in den letzten Jahren eröffnen vielversprechende Wege, den gesundheitlichen Lebensweg unserer Kinder schützend zu begleiten“, konstatiert Prof. Hansen, deren wissenschaftlicher Schwerpunkt immunologische Mechanismen bei der Entstehung von Allergien ist.

Autoimmunerkrankungen: bessere Symptomkontrolle, weniger Nebenwirkungen

Die besondere Perspektive der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte gilt zudem angeborenen Immunstörungen und der Autoimmunität im Kindesalter, einem oft schwerwiegenden Konflikt des Immunsystems, das dann die Zellen angreift, die es eigentlich verteidigen sollte. Diese irrtümlichen Attacken führen zu chronischen Entzündungen und Schäden an wichtigen Organen und Geweben, die das Wachstum und die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen können. Bestimmte Gene können das Risiko für die Entwicklung einer Autoimmunerkrankung erhöhen, während Umweltfaktoren wie Infektionen den Ausbruch der Erkrankung auslösen oder verschlimmern können. Inzwischen sind dank der medizinischen Forschung für einige dieser Erkrankungen neue Therapien entwickelt worden, die die Lebensqualität und –dauer der Betroffenen verbessern können.

Typ-1-Diabetes mellitus, Rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose: Die Vielfalt der Autoimmunerkrankungen im Kindesalter ist faszinierend und zugleich beunruhigend. Für betroffene Kinder und ihre Familien stellen solche Diagnosen eine gewaltige Herausforderung dar. Der Alltag ist geprägt von Arztbesuchen, Medikamenteneinnahme und der Notwendigkeit, den Alltag den besonderen Bedürfnissen des Kindes anzupassen. Es erfordert eine große Portion Mut und Stärke, um diese Herausforderung zu meistern. Die Frage, wie Kinder mit Immunproblemen (etwa auch während einer onkologischen Behandlung) vor den grassierenden Infektwellen geschützt werden können, hat nicht nur in der jüngsten RSV-Welle die pädiatrischen Praxen und Kliniken bewegt.

Auf dem Kongress werden im Zusammenhang mit immunologisch vermittelten Erkrankungen auch Biologika als möglichen „Game Changer der Medizin“ erörtert. Sie können bei bestimmten Erkrankungen wie z.B. schwerem Asthma, schwerer Neurodermitis oder bestimmten Autoimmunerkrankungen ganz gezielt und individuell bestimmte Signalwege blockieren und damit oft auch schwer kranken Kindern helfen. „Die Medizin wird in den nächsten Jahren für viele Erkrankungen ganz individuelle Therapien anbieten, die zu einer besseren Symptomkontrolle bei weniger Nebenwirkungen führen“, erwartet DGKJ-Kongresspräsidentin Hansen.

Auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in Hamburg werden viele spannende und kontroverse Themen diskutiert werden, darunter zu sehr aktuellen politischen und ökonomischen Fragen der Kindergesundheit.

„Das Motto unseres Kongresses lautet: Gemeinsam Kurs halten für eine sichere Zukunft der Kinder“, sagt Hansen. „Dieses Ziel werden wir Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte auf allen Ebenen verfolgen: auf der medizinischen, auf der wissenschaftlichen und auf der politischen Ebene.“

Kongress für Kinder- und Jugendmedizin

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